ANTONIA BISIG
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Performance im Eingangsbereich des Bundesministeriums des Innern, Berlin-Moabit, 2007

Performance im Eingangsbereich des Bundesministeriums des Innern, Berlin-Moabit, 2007

Performance im Eingangsbereich des Bundesministeriums des Innern, Berlin-Moabit, 2007

Performance am Mahnmal für die von den Nationalsozialisten niedergebrannten Synagogen Berlins,
Berlin-Moabit, 2007

Performance am Mahnmal für die von den Nationalsozialisten niedergebrannten Synagogen Berlins,
Berlin-Moabit, 2007

Performance am Mahnmal für die von den Nationalsozialisten niedergebrannten Synagogen Berlins,
Berlin-Moabit, 2007

Performance an der St. Johannis Kirche, Berlin-Moabit, 2007

Performance an der St. Johannis Kirche, Berlin-Moabit, 2007

Performance an der St. Johannis Kirche, Berlin-Moabit, 2007

danse décentral

anlässlich der moabiter kulturtage 2007 in berlin:

zu drei orten im stadt-raum berlin-moabit geht antonia bisig in bewegung:

- bundesministerium des innern, eingangsbereich, alt-moabit 101 D
- mahnmal für die von den nationalsozialisten niedergebrannten synagogen,
  levetzowstraße ecke jagowstraße *
- st. johannis-kirche, erbaut von karl friedrich schinkel, umgebaut von
  august stüler, alt-moabit 25

dauer einer performance: ca. 10 minuten

* auf anfrage eines reiseleiters von berlin-besucherInnen aus israel wiederholte ich die performance am mahnmal levetzowstraße ecke jagowstraße weitere zehn mal,
ab mai 2008 weitere aufführungen auf anfrage
Text: Antonia Bisig, 2007


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Antonia Bisig


An
Herrn Pfarrer Dietrich Teschke
Alt-Moabit 23a
10559 Berlin


Berlin, 17.05.2007


Sehr geehrter Herr Pfarrer Teschke,

im Rahmen der Moabiter Kulturtage Inselglück vom 28.06. bis 01.07.2007 möchte ich an drei Standorten im Stadtraum Moabit jeweils eine Tanzperformance von ca. 10 Min. vortragen:

- Freitag, 29.06. vor dem Eingang des Bundesministerium des Innern
- Samstag, 30.06. beim Holocaust-Mahnmal an der Levetzowstraße
- Sonntag, 01.07. vor dem Eingang der St. Johannis-Kirche
jeweils um 12.00 + 22.00 Uhr und nach Vereinbarung

Es geht mir darum, anders als über Schauen, Sprechen, Begehen, Fotografieren etc. einen Bezug zu den angeführten Orten aufzunehmen, herzustellen, nämlich über Bewegung, Tanz, Gestus, eventuell unterstrichen von einzelnen Worten oder Satzfragmenten. Möglicherweise eröffnet diese ungewohnte Art von sichtbar bewegter Beziehungsaufnahme zu diesen drei besonderen Moabiter Orten auch ungewohnte und eventuell neue Sichtweisen, Bewegtheiten und Stellungnahmen.

Nun bitte ich Sie höflich um Ihre werte Zustimmung für meine Performances vor der St. Johannis-Kirche am 01.07.2007 um 12.00 + 22.00 Uhr und ev. nach Vereinbarung mit Interessierten (Führung durch Dr. Friederike Hauffe).

Mit Dank für Ihre Mühe und freundlichen Grüßen

Antonia Bisig
Text: Antonia Bisig, 2007


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Antonia Bisig


zu meiner Tanz-Performance am Mahnmal für die niedergebrannten Synagogen Levetzowstraße Ecke Jagowstraße in Berlin-Moabit

aus einem Antrag auf einen Aufruf des Kunstvereins Weiden zur Ausstellungsreihe im Kontext Deutsche Vergangenheit


Ende September 2007


Sehr geehrter Herr Herzer

...
Mein besonderes Augenmerk gilt der Frage, wie sich Konformismus bzw. jeweilige gängige Lebens-, Handlungs-, Denk- und Verarbeitungsmuster in körperlichen Erscheinungsbildern von Menschen spiegeln.

In diesem Zusammenhang liegt für mich die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus nahe...

...setzte ich mich in meiner künstlerischen Arbeit intensiv mit Abbildern der sogenannten Täter der Nazizeit auseinander...

Gleichzeitig sann ich darüber nach, auf welche Weise ich als Künstlerin zum Holocaust Stellung nehmen könnte. Diese Thematik scheint mir für bildnerische Formen zu heikel, zu verletzlich, eben wie die Tatsachen des Holocaust für mich letztendlich un(er)fassbar bleiben, für mein Fühlen und Denken unfassbar sind wie der Tod an sich. Keineswegs möchte ich Gefahr laufen, dass sich durch Gestaltungsformen die Verbrechen in gewisser Weise irgendwie wieder herstellen, zementieren, Voyeurismus und somit erneut Verdrängung bewirken.

Im vergangenen Juni, praktisch per Zufall, begann sich für mich eine mögliche Lösung abzuzeichnen: Zu den Moabiter Kulturtagen vom 28.06. bis 1.07.2007 organisiert vom Kunstverein Tiergarten entwickelte ich Tanz-Performances zu drei Standorten dieses Berliner Bezirkes, in dem ich selber beheimatet bin.

Eine der zehn Minuten dauernden Tanz-Performances widme ich einem sehr eindruckvollen Mahnmal, gestaltet von Peter Herbich, Theseus Bappert und Jürgen Wenzel zum Gedenken an die durch die Nationalsozialisten niedergebrannten Synagogen in Berlin.

Bei der Premiere befand sich zufällig eine Reisegruppe aus Israel bei diesem Mahnmal an der Levetzowstraße Ecke Jagowstraße. Manche der ReiseteilnehmerInnen hatten als Kind den Holocaust erlitten und/oder Familienangehörige verloren, wie ich von ihnen nach meiner Performance erfahren habe. Viele Anwesende reagierten sehr berührt. Einige weinten und viele bedankten sich tief bewegt. "Sie haben etwas verdeutlicht, was wir durchgemacht haben", "Ihre Tanz-Performance sagt mehr als alles, was darüber geschrieben wurde", äußerten BesucherInnen immer wieder. Der Reiseleiter hatte mich gebeten, die Performance für weitere Reisegruppen aufzuführen.
Inzwischen habe ich sie wohl an die zehnmal getanzt. Ich selber habe mit einer solchen Resonanz nicht gerechnet. Meine Absicht war, auf das eindrucksvolle Mahnmal, welches eher im Abseits steht, aufmerksam zu machen. Dies sollte nicht mit Worten, sondern mit einer schlichten Tanz-Performance geschehen. Diese Arbeit und die Begegnung mit den BesucherInnen hat mit mir etwas gemacht und in mir einiges ausgelöst. Ich begreife beispielsweise, dass Bilder vom Holocaust sich seit meiner Kindheit in meinem Kopf, in meinem Körper niedergelassen haben. Die Zeit des Nationalsozialismus, aber auch die Kriege in den 60er- und 70er-Jahren haben mich nicht nur als Heranwachsende (geb. 1952) sehr beunruhigt und beschäftigt.
Mir scheint, ich habe über die tänzerische, also körperliche Ausdrucksarbeit eine für mich adäquate Form gefunden, diese Bilder absoluter Verlassenheiten lebendig werden zu lassen, über die Sprache des Körpers zur Sprache zu bringen. Ich habe mich dem Trauma (Traumen werden im Körper gespeichert) über gestaltete Bewegung genähert. In gewisser Weise habe ich versucht, die Bilder des Schreckens erst einmal für mich selber zu verarbeiten.

In der Begegnung mit den Berlin Reisenden aus Israel konnte ich über den Holocaust in einen nonverbalen Austausch kommen. Ich habe meinen Körper sprechen lassen in einem gemeinsamen still werden zusammen mit anderen in einem Land, wo es keine Worte mehr gibt. Vielleicht werden bei den BetrachterInnen Schichten Ihrer Person berührt, die eine individuelle und zugleich gesellschaftlich-historische, also gewissermaßen verdoppelte Verlassenheits- und Einsamkeitserfahrung bergen, eine innere und gesamtgesellschaftliche Todeszone sozusagen, verkapselt in allgemeiner Sprachlosigkeit. Im gemeinsamen Erleben einer Spiegelung dieser Tod bringenden historischen Erfahrung in einem künstlerisch gestalteten lebendigen körperlichen Akt, der von der Zartheit und Verletzbarkeit unserer Existenz, aber auch von mentalen und leiblichen Lebenskräften erzählt und in einen unmittelbaren öffentlichen Austausch geht, wird möglicherweise eine innerpersönliche und zugleich gesellschaftliche Isolationserfahrung überschritten? Dies wird offensichtlich verstärkt durch Gespräche im Anschluss an die Performance.

...

Antonia Bisig
Text: Antonia Bisig, 2007


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