ANTONIA BISIG
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 korporation
korporation - gearbeitet nach einem Pressefoto von 1937, das die Führungsspitze der SS, des SD und der Polizei bei Hermann Göring anlässlich seines 44. Geburtstages zeigt,
2003/2004, 200 x 320 cm (bestehend aus 16 zu einem Rechteck gefügten einzelnen Leinwänden von je 50 x 80 cm), Eitempera, Kohle und Kreide auf Leinwand
Detail korporation, 2003/2004,
200 x 320 cm, Eitempera, Kohle und Kreide auf Leinwand
Detail korporation - Portrait Hermann Göring, 2003/2004,
200 x 320 cm Eitempera, Kohle und Kreide auf Leinwand
Detail korporation - Portrait Heinz Jost, 2003/2004
200 x 320 cm, Eitempera, Kohle und Kreide auf Leinwand
korporation - Teil der Bild-Raum-Installation im Projektraum sensor.k in Berlin-Kreuzberg,
kuratiert von Dr. Ralf Hartmann, 2004
korporation - Teil der Bild-Raum-Installation im Projektraum sensor.k in Berlin-Kreuzberg,
kuratiert von Dr. Ralf Hartmann, 2004
korporation - Teil der Bild-Raum-Installation im Projektraum sensor.k in Berlin-Kreuzberg,
kuratiert von Dr. Ralf Hartmann, 2004


 Biografien (Links) der Personen v.l.n.r.:
 Wolff,  Lorenz,  Jost,  Heydrich,  Himmler,  Daluege,  Göring,  Milch



Bildvorlage (mit Angaben zu den Personen) aus Topographie des Terrors - Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt auf dem "Prinz-Albrecht-Gelände",
Dokumentation herausgegeben von Dr. Prof. Reinhard Rürup, Verlag Willmuth Arenhövel,
12. überarbeitete und erweiterte Auflage 2000




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Aus einem Brief, geschrieben im Sommer 2003 während meiner Arbeit an "korporation" (überarbeitet und aktualisiert im Dezember 2003 und im Februar 2007)


Lieber M.

...

Wie Du weißt, arbeite ich gerade an der malerischen Umsetzung einer Fotografie aus der Zeit des Nationalsozialismus. Sie zeigt die Führungsspitze der SS, des SD und der Polizei bei Hermann Göring anlässlich seines 44. Geburtstages.

Ich möchte Dir von einer sehr interessanten Entdeckung im Zuge dieser Arbeit berichten.

Mich plagten vor einem Monat starke Zweifel, warum ich mich mit diesem Bild totaler Arroganz beschäftige. Ich spürte nur Leere und Abwehr beim Anblick meiner Arbeit und verließ das Atelier mehrfach unverrichteter Dinge. Mir schien das Bildthema unendlich fremd und ich mir selbst in meiner Arbeit. Was mache ich da eigentlich? Was hat dieses Bild mit mir zu tun? Belaste ich mich hier (wieder einmal) mit fremden Lasten?
Diese Fragen erforderten Antworten, welche über meine bisherige Intension hinausgingen, nämlich der Erforschung der Frage nach Kongruenzen von Körperstrukturen, Beziehungsstrukturen und Gesellschaftsstrukturen mit den Mitteln der Malerei und Zeichnung.

Um zu verdeutlichen, zu welchen Erkenntnissen ich bei meiner Beschäftigung mit den angesprochenen Zweifeln und Fragen gekommen bin, musst Du wissen, dass ich mich seit diesem Frühjahr, angestoßen durch die Erfahrung einer enttäuschten Freundschaft, mit meiner eigenen Verletzbarkeit auseinandergesetzt habe und mit der Fähigkeit, Schmerzen wahrzunehmen und mich ihnen bewusst zuzuwenden Dabei habe ich gemerkt, dass ich die Verletzlichkeit anderer Menschen beinahe ernster genommen habe als meine eigenen Schmerzempfindungen, dass ich mich sehr oft darüber hinweggesetzt habe mit Denkweisen: Das hältst du aus... stell dich nicht so an... das ist eben die Realität... ich bin ja nicht aus Zucker... die andern brauchen noch Zeit... etc. Ich erkannte, dass ich meine Gefühlswahrnehmungen, grade wenn sie schmerzhaft waren, oftmals als Schwäche abgetan habe, als Empfindlichkeit sozusagen. Auf diese Weise meinte ich, mich stark und aufrecht halten und kämpferisch bleiben zu können. Statt meine Fähigkeit wirklich ernst zu nehmen, feinste Gefühlsstellungnahmen bei mir selbst sehr genau und bewusst zu erkennen und meine Handlungen darauf abzustimmen, kümmerte ich mich zu oft um die Empfindlichkeiten und Nöte anderer; nicht selten beharrten diese allerdings auf Opferhaltungen und Defätismen. Scheinbar fühlte ich mich da nicht schwach bzw. durfte, wollte und konnte mir meine eigene Schwäche angesichts von Mutlosigkeit, Anspruchshaltungen, Selbstzerstörungstendenzen und aggressivem Festhalten daran nicht eingestehen.
Nun ist mir bewusst geworden, dass ich hoffte, auf diesem Wege meine Gefühle, meine Person eigentlich, zu schützen, sie zu bergen sozusagen vor Resignation bzw. Abwehr und Abwertung. Ich habe mir so oft zu viel zugemutet und mich irgendwie auch ausgeliefert.
Mittlerweile erlebe und begreife ich, meine Fähigkeit, meine Gefühlstellungnahmen sehr genau wahrzunehmen - auch wenn diese schmerzlich sind und mit Schwäche einhergehen - ist die Quelle meiner Lebenskraft überhaupt, also meiner Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit, meiner Kreativität. Ich muss mir somit nicht noch zusätzlich durch Standhalten, Kämpfen, Aushalten, andere um jeden Preis unterstützen beweisen, dass ich stark genug bin, zu überleben. Seit mir nun klar ist, dass ich auf diese Kraft zurückgreifen und mich darauf verlassen kann und darf, ist mein Leben spürbar leichter geworden, gelassener, heiterer, verspielter und glücklicher. Unabhängiger. Meine Anliegen vermittle ich mit größerer Souveränität. Zumutungen, Grobheiten, Herabsetzungen, Feindseligkeiten, Resignation eben, lasse ich stehen, gehe meiner Wege, allermeist jedenfalls. Das Schönste ist, dass ich lerne meine Zartheit anzunehmen und zu genießen, ohne mich dafür zu schämen, sie zu überspielen, sie zu verstecken, was mir sowieso nie wirklich gelungen ist.
Und so erlebe ich mich auch auf neue Weise offen für Zartheiten überhaupt, Schwächesituationen mit eingeschlossen.

Mich meinen Zweifeln und Fragen in bezug auf meine Arbeit "korporation" zuwendend, erkannt ich, dass ich mit diesem Bild ja ebenfalls am Thema Verletzung, Selbstverletzung, Auslieferung, Selbstauslieferung bin, sozusagen an seinem entgegengesetzten Pol: Ich male, wenn man so will, die totale Ignoranz, (scheinbare) Abwesenheit der Wahrnehmungsfähigkeit von Zartheit, Schwäche, Verletzbarkeit, sozusagen die totale Resignation. (Was daraus folgen kann, wissen wir aus der Geschichte.)

Mit dieser Erkenntnis hatte ich wieder Zugang zu meiner Arbeit am Bild "korporation". Ich habe den Zusammenhang zwischen mir, meiner persönlichen Entwicklung und meinem eigens gewählten Bildthema auf neue, mich selbst überraschende Weise verstanden. Ich meine etwas von der allgemeinen Bedeutung persönlicher Selbstverleugnung bzw. Gefühlsabwehr zu erahnen, welche erwiesenermaßen mit körperlicher und/oder mentaler sowie intellektueller Versehrung einhergeht, was sich auf Beziehungen und somit logischerweise auf ganze Gesellschaftsstrukturen aus- und von da zurück wirkt.

Und so ging und geht das Malen wieder leichter von der Hand, maltechnisch, gefühlsmäßig und gedanklich. Ich erkenne noch genauer, wohin ich will.

Jedoch bin ich froh, wenn ich die wirklich knochenharte - wenn auch hochinteressante, geradezu detektivische - Arbeit an diesem Bild abschließen kann. Dann möchte ich mich leichteren und genussvolleren Themen zuwenden.

...

Lieber M., lass es Dir wohl ergehen und sei ganz herzlich gegrüßt von

Antonia






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Brief von Antonia Bisig an Herrn Klaus Hesse, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Stiftung Topographie des Terrors



Berlin, 28.11.2003


Betrifft: Anfragen zur Abbildung 78 in der Dokumentation "Topographie des Terrors"


Sehr geehrter Herr Hesse,

vor gut einem Jahr habe ich mich telefonisch mit der Bitte an Sie gewandt, mir einige Informationen zur Abbildung 78 "Die Führungsspitze der SS und der Polizei bei Hermann Göring, 1937." S. 62 in der eindrucksvollen Dokumentation "Topographie des Terrors" zu geben. Ihre Hinweise haben mir bei meiner künstlerischen Arbeit sehr weiter geholfen. Vielleicht erinnern Sie sich.

Die oben erwähnte Abbildung nahm ich zur Vorlage für ein großformatiges, in Eitempera, Kohle und Kreide gearbeitetes Werk mit dem Titel "korporation" (ev. zusätzlich "Die Körper meiner Väter"). Dabei habe ich mich strikte an das fotografische Material gehalten; weder habe ich also zur Bildvorlage etwas dazu erfunden, noch Teile weggelassen. Mein Bild - bestehend aus 16 zum Rechteck gefügten einzelnen Leinwänden (je 50cm x 79cm) - hat also die Gesamtmaße von 200cm (Höhe) x 316cm (Breite). Die so entstandene rasterartige "Aufbrechung" der Gesamtbildfläche macht das "Bild-Material" explizit zum Forschungsgegenstand der Wahrnehmung: Einerseits kann die Abbildung so leicht nach Details, andererseits nach Gesamtzusammenhängen "abgesucht" werden; zugleich lege ich auf diesem Weg eine analytische Betrachtungsweise nahe an Stelle einer ideologisch gefärbten bzw. emotional aufgeladenen und somit oftmals ablenkenden bzw. Realität abwehrenden Haltung. Außerdem ging es mir darum, die auf dem Pressefoto von 1937 gezeigten Personen so abzubilden, dass sie weder monströs noch puppenhaft wirken, also in etwa lebensgroß erscheinen. Die BetrachterInnen sollen so mit der dargestellten Situation in gewisser Weise körperhaft konfrontiert werden und sich womöglich als TeilnehmerInnen der gezeigten Szenerie erleben, wobei - eine Binsenweisheit bemühend - das Medium Malerei gleichzeitig klar stellt, dass es sich bei dieser "Begegnung" um eine Einbildung handelt.

Als ich die Ausstellung "Topographie des Terrors" 1998 zum erstenmal sah, ist mir die besagte Abbildung im wahrsten Sinne des Wortes "in die Knochen gefahren". Mir schien und scheint, dass auf diesem Dokument das ganze ideologische Programm des mit bloßer Vernunft kaum, eigentlich nicht fassbaren Grauens des Nationalsozialismus durchscheint, insbesondere in der Unterwürfigkeit der abgebildeten Funktionäre, ihrer Gebrochenheit bei gleichzeitiger körperlicher Versteifung bzw. Entgrenzung, in einer totalen Zurücknahme des Persönlichen, kompensiert durch martialisches Auftreten, in von "Hab Acht!"-Haltungen strukturierten, also mit Furcht besetzten und von umfassender Abhängigkeit geprägten Beziehungskonstellationen, in überspannten Körpern, Körperformen und Körperhaltungen sowie der Bekleidung bzw. Uniformierung mit abschreckender, ausschließender und verbergender Wirkung und Absicht. (Siehe dazu auch Rolf Sachsse: "Die Erziehung zum Wegsehen"). Wie sehr hier aus meiner Sicht der Eindruck einer absoluten Leib- und Lebensfeindlichkeit in Erscheinung tritt, welche in letzter Konsequenz die totale Auslöschung von Körpern im weitesten Sinne, also auch Mord und Selbstmord mit einschließt, verblüfft und erschüttert mich immer wieder aufs neue. Gerade dieser Aspekt stellt für mich einen wichtiger Dreh- und Angelpunkt dar, Fragen zu stellen, eben auch in Richtung heutiger Körperverhältnisse. Und - weiter gedacht - kann es sein, dass Leibfeindlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit Ideologie steht? Physis hat auch immer etwas mit Zartheit, Verletzbarkeit, Schwäche, Empfindsamkeit und Unberechenbarkeit zu tun. Wohin dann damit, wenn ich machtvoll und unangreifbar dastehen will?
Und nicht zu vergessen der Raum, in welchem die zelebrierte Szene in ihrer scheinbaren Harmlosigkeit zur Schau gestellt wird; er gibt ebenfalls Anlass, zu fragen und Vergleiche anzustellen.

Beim Anblick dieser Fotografie wurde ich neugierig darauf, was wohl passieren würde, wenn die Abbildung lebensgroß zu sehen wäre, und zwar gemalt, also über ein bildnerisches Mittel mit Abstand zum Medium Fotografie, mit stofflich-körperlicher Präsenz und kaum reproduzierbar bzw. mit "unikatem" Charakter. Mittlerweile schließe ich die Arbeit an meinem Bildprojekt "korporation" ab; gut ein Jahr habe ich dafür gebraucht. Sozusagen über ein Jahr verbrachte ich mit diesem Bild, und es hat mich gelehrt, lehrt mich noch, über gesellschaftliche Entwicklungen und Verhältnisse und über mich selbst.

Nun bietet mir Herr Dr. Ralf Hartmann die Möglichkeit, das Werk in dem von ihm geleiteten Projektraum sensor.k am Mehringdamm 79, 10965 Berlin auszustellen. Beachten Sie bitte sein Schreiben vom 7. November 2003 in der Anlage zu meinem Anschreiben an Sie.

Für die Präsentation meines Bildes brauche ich noch einige Informationen zur Bildvorlage bzw. zur Abbildung 78 aus der Dokumentation "Topographie des Terrors". In meiner Präsentationskonzeption ist vorgesehen, dass zum gemalten Bild die Namen sowie die wichtigsten Lebensdaten der abgebildeten Personen aufgeführt sind.

Somit wende ich mich also an Sie mit der freundlichen Bitte um diese Informationen. Darüber hinaus gibt es Fragen nach den näheren Umständen der Entstehung, Handhabung, Umgangsweise, Funktion der vorliegenden Fotografie. Auch trete ich mit der Bitte an Sie heran, mich eventuell auf zusätzliche, nicht ohne weiteres zugängliche Informationen zu Vorgängen zum Zeitpunkt der Entstehung der Abbildung hinzuweisen. *

Sehr geehrter Herr Hesse, haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Antonia Bisig


P.S.
Nach unserem heutigen Telefongespräch erübrigen sich meine Fragen im mit einem * bezeichneten Abschnitt. Auch freue ich mich, in der Bibliothek von "Topographie des Terrors" recherchieren zu dürfen. Außerdem haben mir Mitarbeiterinnen von "Ullstein Bild" mit Informationen freundlicherweise weitergeholfen.





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korporation - Literaturliste


- Amery, Carl: Hitler als Vorläufer, Luchterhand München 2002
- Bauer, Joachim: Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern,
  Eichborn Frankfurt a. M. 2002
- Keleman, Stanley: Verkörperte Gefühle - Der anatomische Ursprung unserer
  Erfahrungen und Einstellungen, Kösel-Verlag München 1999
- Kershaw, Jan: Hitler Gesamtausgabe, dtv, München 2002
- Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer 2003
- Kurz, Robert: Weltordnungskrieg - Das Ende der Souveränität und die
  Wandlung des Imperialismus im Zeitalter der Globalisierung,
  Horlemann Bad Honnef 2003
- Sachsse, Rolf: Die Erziehung zum Wegsehen - Fotographie im NS-Staat,
  Philo Fine Arts, 2003
- Rürup, Reinhard (Hrsg.): Topographie des Terrors Gestapo, SS und
  Reichssicherheitshauptamt auf dem "Prinz-Albrecht-Gelände",
  Eine Dokumentation, Berlin 1987
- Theweleit, Klaus: Männerphantasien 1 + 2, Piper München Zürich 2002





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sensor.k - letzte Ausstellung am Mehringdamm / Presseinformation

20.12.03


Sehr geehrte Damen und Herren,

mit beiligender Presseinformation möchten wir Sie schon vorab über die nächste und vorerst letzte Ausstellung im Projektraum sensor.k in Kreuzberg informieren.
Die Malerin Antonia Bisig hat ein neues großformatiges Gemälde mit dem Titel "korporation" erarbeitet und setzt sich darin mit Fragen nach der Bedeutung von Körperlichkeit im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus auseinander.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie über diese Ausstellung berichten würden. Frau Bisig und ich lassen Ihnen gerne weitere Informationen zu dieser Arbeit zukommen und stehen für Gespräche und Fragen gern zur Verfügung.

Für Sommer 2004 ist die Wiedereröffnung von sensor.k in neuen Räumen geplant. Über die Fortsetzung des Programms werden wir Ihnen zum gegebenen Zeitpunkt wieder Informationen zukommen lassen.

Für Ihr Interesse an der Arbeit der vergangenen zwei Jahre bedanken wir uns und wünschen Ihnen schöne Feiertage und einen guten Start in das neue Jahr.

Mit freundlichen Grüßen,

Ralf F. Hartmann, Nanne Rotz-Riester sensor.k



Antonia Bisig // korporation // Malerei // Installation

14. Januar - 20. Februar 2004

Eröffnung 14. Januar 2004, 19.00 Uhr

Es spricht: Ulrike Kremeier, Kunsthistorikerin, Berlin


Die Ausstellung "korporation" stellt die aktuelle Arbeit der in Berlin lebenden Schweizerin Antonia Bisig vor. Im Lauf der vergangenen Jahre hat sich die Malerin intensiv mit der bildlichen Repräsentation von militärischer Gewalt in Medien wie Fernsehen und Tages-presse auseinandergesetzt.
Konfrontation und Nähe, die unmittelbare Beschäftigung mit Wahrnehmung und Verdrängung sind charakteristisch für ihren künstlerischen Ansatz.

Auch das neue großformatige Werk "korporation" (200 x 320 cm, Eitempera, Kohle, Kreide auf Lw.) setzt sich mit der medialen Präsenz militärischer Themen und Unterwerfungs-verhältnisse auseinander und basiert auf einem Foto, das Teil der Berliner Dokumentation "Topographie des Terrors" ist. Auf diesem Foto ist eine für die Organisationsstrukturen und Inszenierungsstrategien des Nationalsozialismus signifikante Szene dargestellt, die am 12. Januar 1937, dem Geburtstag von Hermann Göring entstanden ist. Das Pressefoto (Archiv Ullstein Bilderdienst) gibt die authentische Gratulation der Spitzen von SS, SD und Staatspolizei wieder und entspricht in wesentlichen Aspekten der nationalsozialistischen Bildpropaganda. Zu erkennen sind Figuren der Zeitgeschichte in schwarzen Uniformen, wie z.B. Himmler, Heydrich, Wolff u.a., mit deren historischer Benennung es Bisig aber nicht bewenden läßt: In einer auffällig in Szene gesetzten Masse von Körpern in militärischer Haltung hat der Fotograf ebensolches Augenmerk auf die Insignien der Macht, wie Abzei-chen, Koppeln und Schirmmützen verwendet. Für die Komposition des Bildes bedeutet dies, daß die zeichenhafte Codierung militärischer Strukturen mit der körperlichen Präsenz der Nazi-Funktionsträger zu einem deutlichen Ausdruck hierarchischer Machtverhältnisse zusammengeführt wird. Genau an diesem Punkt setzt das künstlerische Interesse von Antonia Bisig an, die über die intellektuelle Beschäftigung mit der Zeitgeschichte hinaus die unmittelbare körperliche Auseinandersetzung sucht, um sich ihre Themen beim Prozeß des Malens nicht nur rational, sondern sinnlich-praktisch zu vergegenwärtigen. Die hautnahe Konfrontation mit der drastischen Körperinszenierung der Machthaber wird einerseits durch die fast lebensgroße Wiedergabe des Motivs nachvollziehbar, während dessen technische Rasterung in 16 Bildtafeln weiterhin den analytischen Ansatz der Künstlerin verdeutlicht und Wahrnehmungsprozesse untersucht.

Neben das historische Erkenntnisinteresse tritt die Analogiebildung zur heutigen eigenen Lebenswirklichkeit und damit die Frage nach dem Verhältnis zwischen Körperlichkeit und gesellschaftlichen Strukturen.

Antonia Bisig (geb.1952 in Romanshorn/ Schweiz) studierte Pädagogik, Bildende Kunst und Psychologie in Luzern und Berlin. Seit 1979 ist sie Dozentin für Kunst- und Theaterpädagogik in Berlin und arbeitet als bildende Künstlerin. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Körperlichkeit und Krieg. 1995-98 entstand die Werkreihe "Menschen, Bilder, Krieg", 1999-2002 die Werkreihe "Menschen Bilder Soldaten Potraits", seit 2002 Arbeit am Bild-Projekt "korporation". Zahlreiche Ausstellungen seit 1984 u.a. im Forum Junge Kunst, Zug (CH), Galerie Stil und Bruch, Berlin, ehem. KGB-Gefängnis Potsdam, Musee Suisse, Schwyz (CH), Brechthaus, Berlin, Universität Leipzig.


sensor.k
www.sensor-k.de
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